[Das Journal] [Kurzgedicht der Woche] [Archiv] [Maghrebinische Gedichte] [Sperling] [Texte] [Impressum] [News] [Links]
Ich schlafe nie: Ich lebe und träume oder, eher noch, ich
träume im Leben und im Schlaf, der ja auch Leben ist. Es gibt keine
Unterbrechung in meinem Bewusstsein: Ich fühle, was mich umgibt, wenn ich
noch nicht schlafe oder wenn ich nicht gut schlafe; ich fange sofort an zu
träumen, sobald ich wirklich schlafe. So bin ich eine ständige Entfaltung
zusammenhängender oder unzusammenhängender Bilder, die immer so tun, als
kämen sie von außen. Einige sind zwischen die Menschen und das Licht
gestellt, wenn ich wach bin, andere zwischen die Phantasmen und die lichtlose
Sichtbarkeit, wenn ich schlafe. In Wahrheit weiß ich nicht, wie ich eines vom
anderen unterscheiden soll, und wage nicht zu behaupten, ob ich nicht
schlafe, wenn ich wach bin, ob ich nicht wache, wenn ich schlafe. Fernando Pessoa
Aus: Livro do Desassossego (Das Buch der Unruhe). Editora Brasiliense, Sao Paulo 1989, S. 237 (Fragment 146 vom 2. Mai 1932). Übersetzung des Textauszugs: Leonhard Frank Duch.
|