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PROJEKT SPERLING  Nr. 72 - 26. Juni 2008: SIGNALE

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Lluvia temprana 
las cerezas destellan
espejos 

 

 

Morgenregen
die Kirschen lassen
Spiegel blitzen

 

 

Katzu

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Erst wenn wir all unser Wissen vergessen, beginnen wir, etwas zu wissen. Ich komme einem Gegenstand der Natur nicht um Haaresbreite näher, solange ich mir einbilde, die Einführung eines Gelehrten dafür zu haben. Um zur totalen Wahrnehmung zu gelangen, muss ich ihn zum tausendsten Mal als etwas völlig Fremdes ins Auge fassen. Wenn du die Farne kennenlernen willst, musst du deine Botanik vergessen. Du musst deine sogenannten Kenntnisse über sie loswerden. Kein einziger wissenschaftlicher Ausdruck, keine Unterscheidung nützt dir im Geringsten, denn du möchtest ja etwas wahrnehmen und musst dich dem Gegenstand ganz unvoreingenommen nähern. Du musst dir bewusst sein, dass kein Ding deiner Vorstellung von ihm entspricht ... Dein Zustand muss ein anderer sein als gewöhnlich. Dein größter Erfolg ist einfach die Wahrnehmung, dass es solche Dinge gibt, und du hast der Akademie der Wissenschaften keine Mitteilung zu machen.

 

Henry David Thoreau

 

 

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Anmerkungen

 

Hinter „Katzu“ steht der in Peru lebende und schreibende Autor Alfonso Cisneros Cox. Unter diesem dem Zen entlehnten Namen veranstaltete er im Januar 2003 einen Haiku-Workshop. Er ist Professor für Ästhetik an der Universität Lima, seit 1980 Herausgeber der Kunstzeitschrift „Lienzo“ und hat mehrere Gedichtbände veröffentlicht. Seine Haiku sind in Lateinamerika, Spanien und den Vereinigten Staaten erschienen. Vgl. auch Ausgabe 12. Zitiert nach El Rincón del Haiku, Sevilla, 2. Halbjahr 2004. Auswahl und Übertragung: Luis Corrales Vasco, Hubertus Thum.

 

Zu Henry David Thoreau (1817 – 1862) siehe ebenfalls Ausgabe 12. Obwohl er das Haiku nicht kannte (im Westen waren noch keine zuverlässigen Übersetzungen greifbar), ist sein Tagebucheintrag vom 4. Oktober 1859 einer jener wenigen Texte der Weltliteratur, die ich unter dem Titel „Haikupoetik“ zusammenfassen würde. Ursprüngliches Schauen, Wort und Schweigen sind darin im Gleichgewicht.

Der Eintrag findet sich u.a. bei Odell Shepard (Hrsg.): The Heart of Thoreau’ s Journals. Boston and New York 1927, S. 322. Die leicht modifizierte Übersetzung folgt Henry David Thoreau: Leben aus den Wurzeln. Zusammengestellt, übersetzt und eingeleitet von Susanne Schaup. Freiburg im Breisgau 1986, S. 72.

 

 

 

 

PROJEKT SPERLING  Nr. 72 - 26. Juni 2008: SIGNALE

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