[Das Journal] [Kurzgedicht der Woche] [Archiv] [Maghrebinische Gedichte] [Sperling] [Texte] [Impressum] [News] [Links]
PROJEKT SPERLING Nr. 28 - 02. August 2007: ZIKADENGEZIRP
sleepwalking
through the clockwork
of cicadas
Schlafwandeln
durchs Uhrwerk
der Zikaden
Wolfgang Beutke
.......................................................................................................................................................................
Stille ist nicht nur die Abwesenheit von Tönen, nicht allein Pause zwischen den Worten oder in der Musik. Auch ein Blatt hat Stille, eine Blume oder der Kieselstein im Bach. Sie ist in der Reglosigkeit des Maisfeldes vor dem Gewitter und in den Flügen der großen Vögel. Tief verborgen im Gezirp der Insekten hören wir Stille. In Bildern tönt Stille. Jan Vermeers kleine Leinwände bersten vor Stille, obwohl er elf Kinder hatte und viele Sorgen. Drei Äpfel auf dem Teller sind Stille; der Begriff Stillleben trifft den Nagel auf den Kopf. Selbst ihre Farben sind nichts anderes als schweigende Musik.
Hubertus Thum
.......................................................................................................................................................................
Anmerkungen
Zu Wolfgang Beutke siehe Ausgabe Nr. 17 vom 03. Mai 2007. In unserem Briefwechsel definierte er das Haiku und den Stellenwert, den es in seinem Leben einnimmt, wie folgt: „Haiku ist für mich ein kurzes Gedicht, das in einfacher Sprache ein Augenblickserlebnis in der Natur beschreibt, wobei der Begriff Natur den Menschen einbezieht. Dabei wird vom Autor der unmögliche Versuch unternommen, das nicht Darstellbare von verschiedenen Bedeutungsebenen her zu zeigen. Das Haiku vollendet sich erst im Leser. Es ist für mich mehr als nur ein schöpferischer Prozess, es bedeutet für mich Lebensfreude und demzufolge auch Gewinn an Lebensqualität; der Abruf von Adrenalin mit den allereinfachsten Mitteln: ein unbeschriebenes Blatt, ein Stift. Haiku bedeutet für mich ebenso, die Natur neu zu entdecken und durch intensive Wahrnehmung von Farben, Geräuschen und Gerüchen vergessene Bilder im Unbewussten zu orten und in die Gegenwart zurückzuholen, um dann mit wenigen Worten ein mehrdimensionales Bild zu entwerfen. Ein Bild, das dem Leser Ausgangspunkte bietet, von denen aus er eigene Erlebniswelten wiedererkennen oder sogar zu einer Reise in die Welt des nicht mehr Darstellbaren aufbrechen kann.“ Erstveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Wolfgang Beutke. Beide Versionen stammen aus seiner Feder.
Zitat aus Hubertus Thum: Stimmen hinter der Wand. Unveröffentlichtes Manuskript. |
PROJEKT SPERLING Nr. 28 - 02. August 2007: ZIKADENGEZIRP