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PROJEKT SPERLING  Nr. 56 - 28. Februar 2008:  SCHEINBARE  LEERE

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Läuten vom Dorf.

Im Schnee

den Himmel berühren.

 

 

 

 

Volker Friebel

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Es war spätabends, als K. ankam. Das Dorf lag in tiefem Schnee. Vom Schlossberg war nichts zu sehen, Nebel und Finsternis umgaben ihn, auch nicht der schwächste Lichtschein deutete das große Schloss an. Lange stand K. auf der Holzbrücke, die von der Landstraße zum Dorf führte, und blickte in die scheinbare Leere empor.

 

 

Franz Kafka

 

 

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Anmerkungen

 

Volker Friebel, Jahrgang 1956, promovierte in Psychologie und schreibt seit 1980 Haiku. Er lebt als Autor und Musiker in Tübingen. Zahlreiche Veröffentlichungen; zuletzt erschien der bemerkenswerte Gedicht- und Haikuband Nachricht von den Wolken. Seit September 2003 gibt er mit www.haiku-heute.de eine dem Haiku und verwandten Formen gewidmete, weithin bekannte Internetzeitschrift heraus, die monatliche Auswahlen veranstaltet und im Archiv Literatur zum Thema bereitstellt. Alle Publikationen Volker Friebels sind im Buchhandel sowie beim Wolkenpfad-Verlag, Tübingen, unter der Adresse www.Wolkenpfad.de zu beziehen. Seine Homepage www.Volker-Friebel.de vermittelt einen Überblick, darunter Haiku, die zu den exemplarischen Arbeiten des deutschen Sprachraums gerechnet werden müssen. Mit freundlicher Genehmigung von Dr. Volker Friebel.

 

Die Anfänge bedeutender Erzählungen und Romane der Weltliteratur verdienen oft Bewunderung, weil sie das schriftstellerische Können des Verfassers, sein Thema und manchmal sogar Handlung und Sinn des Werkes blitzartig erhellen, zusammenfassen oder vorwegnehmen. Zu diesen höchst suggestiven Eröffnungen gehört auch der Beginn von Franz Kafkas (1883 – 1924) nachgelassenem Roman Das Schloss, der wahrscheinlich nur noch von George Orwells lapidarem, den Vorhang der sogenannten Wirklichkeit zerreißenden ersten Satz in „1984“ übertroffen wird: „Es war ein strahlend-kalter Apriltag, und die Uhren schlugen dreizehn.“ Ihm kann, wie dem gelungenen Haiku, kein einziges Wort hinzugefügt oder genommen werden, ohne seine Magie zu zerstören. Zitiert nach Franz Kafka: Das Schloss. Gütersloh 1960, S. 5. Zu George Orwell vgl. David Lodge: Die Kunst des Erzählens. Aus dem Englischen von Daniel Ammann. Zürich 1993, S. 163 – 166.

 

 

 

 

PROJEKT SPERLING  Nr. 56 - 28. Februar 2008:  SCHEINBARE  LEERE

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