[Das Journal] [Kurzgedicht der Woche] [Archiv] [Maghrebinische Gedichte] [Sperling] [Texte] [Impressum] [News] [Links]
PROJEKT SPERLING Nr. 88 - 30. Oktober 2008: HERBSTFARBEN
Mit den ersten Sternen
verglimmt die Zigarette …
Oktobermensch.
Jean-Claude Lin
.......................................................................................................................................................................
Bald siehst du, wenn der Schleier fällt, Den blauen Himmel unverstellt, Herbstkräftig die gedämpfte Welt In warmem Golde fließen.
Eduard Mörike
.......................................................................................................................................................................
Anmerkungen
Jean-Claude Lin studierte Sinologie, Philosophie, Mathematik sowie Geschichte der Naturwissenschaften. Er lebt und arbeitet als Verlagsleiter in Stuttgart; vgl. Ausgabe 39. Erstveröffentlichung mit freundlicher Erlaubnis des Autors.
„Oktobermensch.“ Ohne jeden Zusammenhang und unkommentiert steht das Wort in den nachgelassenen Papieren Friedrich Nietzsches (1844 – 1900). Kein Zufall, sondern eine Enthüllung. Denn wer die Schriften des vielfach missverstandenen, im Oktober geborenen Philosophen und Dichters aufmerksam liest, findet an entscheidenden Stellen Hinweise auf eine „Weltanschauung“, die – nicht nur als Inbegriff des Ästhetischen, sondern die Gesamtheit der Assoziationen umfassend – mit dem Herbst und seinem Höhepunkt, dem Oktober, verknüpft werden darf. „Herbst ist es umher und reiner Himmel und Nachmittag“, spricht Zarathustra. Nietzsche, der unglaublich Empfindsame, den schon die Umrisse der Berge, die Klarheit der Luft und des Sees von Silvaplana berauschten, sah sogar seine dionysischen Züge als Bilder der Jahreszeit. Einige Künstler des 20. Jahrhunderts spürten diese Identifikation. So notierte Giorgio de Chirico: „Ich hatte begonnen, Sujets zu malen, mit denen ich das starke mysteriöse Gefühl auszudrücken versuchte, das ich in den Büchern Nietzsches entdeckt hatte: die Melancholie der schönen Herbstnachmittage in den italienischen Städten.“ (Memorie della mia Vita, Rom 1945). Ob „Oktobermensch“ oder Akiko, „Herbstkind“, wie ein japanischer Vorname lautet: Innen und Außen sind Spiegel, die sich selbst reflektieren. Quellen: Gedichte der Romantik. Herausgegeben von Walter Flemmer. München 1987, S. 283 (Mörike). Zu „Oktobermensch“ siehe auch den „L.J.“ gezeichneten Artikel, FAZ vom 1. 10. 2008, S. 37. |
PROJEKT SPERLING Nr. 88 - 30. Oktober 2008: HERBSTFARBEN