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PROJEKT SPERLING Nr. 93 - 04. Dezember 2008: WARTENDE  SÄTZE

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Ein Blick zurück

das Kielwasser verschlingt

den schwarzen Mond

 

 

 

 

Wolfgang Beutke

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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[ Zitat Gottfried Benn: Welle der Nacht … ]

 

 

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Anmerkungen

 

Von Wolfgang Beutke, Jahrgang 1947, erschienen bisher sechs Haiku in Projekt Sperling. Erstveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verfassers.

 

Gottfried Benn (1886 – 1956) vertraute beim Schreiben auf den „wartenden Satz.“ Stellte sich nach der Niederschrift einer Verszeile keine unmittelbare Fortsetzung ein, ließ er das unvollendete Manuskript liegen. Mit dem nächsten Einfall, dem oft ein Inspirationsschub folgte, griff er es wieder auf. Sein Gedicht Welle der Nacht verdankt die Entstehung dieser Arbeitsweise; zwischen der ersten Strophe und der zweiten, in einem glücklichen schöpferischen Augenblick gefundenen, liegen zwanzig Lebensjahre. Sie lautet: „Welle der Nacht – zwei Muscheln miterkoren, / die Fluten strömen sie, die Felsen her, / dann Diadem und Purpur mitverloren, / die weiße Perle rollt zurück ins Meer.“ Für viele Kenner und Kritiker handelt es sich um eines der „absoluten“ Gedichte deutscher Sprache, das allein durch die Magie der Worte und der von ihnen heraufbeschworenen mythischen Bilder wirkt, ohne vordergründig deren Deutung herauszufordern.

„Keiner auch der großen Lyriker unserer Zeit hat mehr als sechs bis acht vollendete Gedichte hinterlassen“, betonte Benn in seinem aufschlussreichen Marburger Vortrag Probleme der Lyrik, „die übrigen mögen interessant sein unter dem Gesichtspunkt des Biografischen und Entwicklungsmäßigen des Autors, aber in sich ruhend, aus sich leuchtend, voll langer Faszination sind nur wenige.“ Welle der Nacht ist eines dieser Gedichte.

Quelle: Gottfried Benn, Gedichte. Auswahl und Nachwort von Christoph Perels. Stuttgart 1988, S. 90.

 

 

 

 

PROJEKT SPERLING Nr. 93 - 04. Dezember 2008: WARTENDE  SÄTZE

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